"Eine deutliche Aufwertung der sprechenden und zuwendungsorientierten Medizin"

Dr. med. Thomas P. Ems, Geschäftsführer des Privatärztlichen Bundesverbands (PBV), sprach mit AÄA über die Vor- und Nachteile der neuen GOÄ und die Bedeutung der privatärztlichen Medizin für die Patienten und das Gesundheitswesen.


Dr. med. Thomas P. Ems ist im Vorstand und Geschäftsführer des PBV – Privatärztlicher Bundesverband. Der PBV war im GOÄ-Ausschuss der Bundesärztekammer vertreten und mit anderen ärztlichen Berufsverbänden an der Erstellung der GOÄ-Neufassung beteiligt. 

 

Herr Dr. Ems, wie bewerten Sie den Entwurf der GOÄneu? Welche Vor- und Nachteile bringt sie aus Ihrer Sicht den Ärzten?
Die GOÄneu wird das modernste Gebührenwerk der Welt werden. Es sind ca. 2500 neue Ziffern dazugekommen. Die völlig veraltete GOÄ führt aktuell zu vielen Rechtsstreitigkeiten, die damit obsolet werden. Es wird auch eine neue Kommission zur GOÄ geben, die eine stetige Anpassung der Inhalte und des Preisniveaus im Auge hat. Dass sich über 25 Jahre lang nichts tut und keine Anpassung, zum Beispiel an die Inflation, stattfindet, wird deshalb nicht mehr vorkommen. Sehr positiv sehe ich zudem die deutliche Aufwertung der sprechenden und zuwendungsorientierten Medizin. Ein Nachteil ist, dass einige aktuell sehr gut bewertete Leistungen, zum Beispiel aus dem Labor, abgewertet werden.

Wird die Ärzteschaft insgesamt finanziell profitieren?  
Insgesamt erwarte ich natürlich ein klares Plus.

Sehen Sie Argumente gegen die Einführung der GOÄneu und für den Erhalt der alten GOÄ?
Nein, da kann ich keine erkennen. Höchstens die Tatsache, dass wir wieder neue Ziffern lernen und Abrechnungskurse besuchen müssen.

Laut Verband der Privaten Krankenversicherung läuft derzeit bis voraussichtlich Ende des Jahres der Testbetrieb der GOÄneu. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Es geht aktuell nur noch um wenige, vor allem operative Ziffern und Komplexe, die derzeit übersetzt werden. Das liegt auch an der neuen Verhandlungsspitze der PKV. Hier muss zwischen den Verhandlungspartnern neues Vertrauen aufgebaut werden. Der Prozess der Übersetzung wird aber zeitnah abgeschlossen sein.

Eine rasche Einführung der GOÄneu steht bei der Bundesregierung offensichtlich nicht auf der Agenda. Wie bewerten Sie das Verhalten der Politik in Sachen GOÄneu?
Ja, da haben Sie leider völlig Recht. Das SPD-geführte Bundesministerium für Gesundheit unter Prof. Lauterbach will die GOÄneu alleine schon aus ideologischen Gründen nicht einführen. Allerdings nimmt der Druck auch aus den eigenen Reihen zu. Grüne, FDP und CDU haben nichts gegen die neue GOÄ, fast alle Gesundheitsexperten sämtlicher Parteien haben sie bereits gelobt.

Ihre Einschätzung: Wann kommt die neue GOÄ?
Wenn wir Pech haben, erst mit einem neuen Gesundheitsminister. Ich hoffe aber, dass Herr Prof. Lauterbach seine Blockadehaltung aufgibt und die GOÄneu bald durch die Parlamente verabschiedet werden kann.

Zum Thema ärztliche Privatabrechnung insgesamt: Hat sich die Wahrnehmung privatärztlicher Leistungen durch Politik, Patienten und Ärzteschaft in den vergangenen Jahren verändert?
Ja, den Eindruck habe ich. Es gibt eine bisher nie dagewesene Aufmerksamkeit gegenüber der Privatmedizin. Man hat erkannt, dass wir der Motor der Innovation und Entwicklung im Gesundheitsmarkt sind. Auch Selbstzahler kommen zunehmend in unsere Praxen. Die Zahl der PBV-Mitglieder hat sich in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt. Unsere Veranstaltungen, zum Beispiel der Tag der Privatmedizin, der zuletzt am 26. November stattfand, hat alle bisherigen Besucherrekorde gebrochen. Die Politik fängt an sich für uns zu interessieren. Das ist gut so.

Warum brauchen wir weiterhin ein duales System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung? Wäre die immer wieder diskutierte Bürgerversicherung eine Alternative?
Ich persönlich bin ja ein Verfechter der Privatversicherung für alle. Die 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung bei denen das aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, wären über eine einzige staatliche Versicherung abgesichert. Diese Vision ist bereits von namhaften Sozialwissenschaftlern, Ökonomen und anderen Experten unterstützt worden. Dies muss jedoch erst einmal in die Köpfe der Politiker und der Bevölkerung gebracht werden. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Unser duales System hat eine Menge Vorteile gegenüber einer staatlichen Zwangsversicherung. Da reicht ein kurzer Blick in die Länder, die so etwas bereits eingeführt haben. Das will eigentlich keiner. Die medizinische Versorgung würde sich für alle erheblich verschlechtern. Prof. Montgomery sagte einmal, dass eine sogenannte Bürgerversicherung der Turbolader für eine echte Zwei-Klassen-Medizin wäre. Damit hat er Recht.

Wie nehmen Sie den Prozess der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland wahr? Sind wir auf einem guten Weg?
In der Digitalisierung hinken wir im internationalen Bereich hinterher. Das hat viele, zum Teil auch historische Gründe. Ich kenne jedoch viele Praxen, die für Neuerungen sehr offen sind und beispielsweise Online-Terminvergabe etc. anbieten. Was die großen Themen wie elektronischer Patientenausweis, E-Rezept, eAU und die Vernetzung ambulant/stationär angeht, muss noch einiges von Seiten der Politik und Industrie geleistet werden.

Spielt die Digitalisierung bei Ihnen eine andere Rolle als bei nicht privatärztlich tätigen Kollegen?
Ein Vorteil als Privatarzt ist, dass wir nicht alles Unausgegorene mitmachen müssen. Da tun mir die Kassenärzte öfters leid.

Welche Themen werden Ihrer Meinung nach die Ärzte in den kommenden Jahren besonders beschäftigen? Sehen Sie hier Unterschiede bei Privatärzten und nicht privatärztlich tätigen Kollegen?
Die großen Themen und Herausforderungen der Zukunft sind der demographische Wandel und der Personalmangel in allen medizinischen Bereichen. Die Praxen der Privatärzte werden voller werden. Kassenärzte wissen ja zum Teil heute schon nicht mehr, wie sie all die Patienten versorgen sollen, und diese Entwicklung wird sich verstärken.


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