"Viele Fachärzte überlegen, eine Privatpraxis zu eröffnen." (Teil 2)

Im zweiten Teil des Interviews mit Gründungsberater Arnd Kensy geht es u.a. um die verlässliche Kalkulation einer Praxisgründung und die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis im Vergleich zu einer Einzelpraxis.


Arnd Kensy ist Betriebswirt und hat viele Jahre in der Medizintechnikbranche gearbeitet, zuletzt als Geschäftsführer und Vorstand. Heute begleitet er als selbstständiger Berater Ärzte auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Er hat mehrere Bücher zum Thema Praxisgründung und -optimierung verfasst. Das Interview führte Dirk Mewis.

 

Herr Kensy, wie wichtig ist Eigenwerbung - müssen Ärzte inzwischen auch Marketing machen?
Oft ja. Natürlich nicht, wenn Sie in einem unterversorgten Gebiet Arzt werden, da müssen Sie nur die Tür aufmachen. Aber wenn beispielsweise ein Diabetologe in Berlin eine Praxis eröffnet und neue Patienten gewinnen will, muss er sich im Internet präsentieren, da sich Patienten dort den ersten Eindruck verschaffen.Einige meiner Mandanten vertreten zwar immer noch die Auffassung, dass die Patienten schon irgendwann merken würden, dass sie ein guter Arzt im Krankenhaus gewesen sind, aber diese Zeiten sind inzwischen vorbei. Bei der Patientengewinnung spielen heutzutage persönliche Weiterempfehlungen, gute Auffindbarkeit im Internet und auch positive Bewertungen in den Internetportalen eine wichtige Rolle.

Kann ich einen Praxiskauf oder eine Neugründung verlässlich kalkulieren? 
Eine grundsätzliche Kalkulation mit allen Kosten lässt sich immer erstellen. Auch Aufwände für Investitionen und Marketing können und müssen vorab geplant werden. Für die neu eröffnete Arztpraxis wird deshalb ein Investitionskredit beantragt, da sind meistens der Kaufpreis und die Geräte drin. Das zweite ist der Betriebsmittelkredit, der dazu dient, die Anlaufkosten und Anfangsverluste auszugleichen.
Auch eine grobe Schätzung des Kaufpreises ist aufgrund von Erfahrungswerten möglich. Die Spanne reicht von 50.000 Euro für die Praxis eines Allgemeinmediziners bis zu sechs Millionen für eine Radiologie inklusive Geräten. Standort, Patientenstamm und Geräte sind wichtige Faktoren, die den Preis bestimmen. Die Zulassung für eine Landarztpraxis in einem unterversorgten Gebiet, wie in Brandenburg, wo es noch neun freie Kassensitze gibt oder in Thüringen mit sechs freien Kassensitzen, ist für 150 Euro Bearbeitungsgebühr bei der KV zu bekommen.

Welchen Unterschied macht es, ob ich eine kassenärztliche Praxis übernehme oder eine Praxis nur für Privatpatienten eröffnen will?
Kassensitze sind ja zulassungsbeschränkt. Viele Fachärzte und viele meiner Mandanten überlegen deshalb, eine Privatpraxis zu eröffnen. Für einen Ende 30-Jährigen mit drei jungen Kindern ist das allerdings ein Risiko, denn am Anfang müssen sie wahrscheinlich mit wenig Geld auszukommen. Außerdem müssen Sie kalkulieren, dass im Schnitt lediglich neun Prozent der Patienten um Sie herum Privatpatienten sind, die ihre Leistungen kostenfrei in Anspruch nehmen können. Die anderen sind Kassenpatienten, die Sie überzeugen müssten, für eine Behandlung Geld zu zahlen. Und das ist in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, gar nicht so einfach. Daher braucht man bei der Gründung einer Privatpraxis noch stärker eine unternehmerische Denkweise. In der Beratung gehen wir deshalb genau durch, wie viele Patienten man pro Tag braucht. Ich habe kürzlich die Neugründung einer dermatologischen Praxis in München begleitet. Nach acht Wochen hat sich die Ärztin gemeldet und mir gesagt, dass sie ausgebucht ist. Das ist die Idealsituation. 
Prinzipiell ist für die Eröffnung einer Privatarztpraxis, für die ja Niederlassungsfreiheit gilt, ein großer Einzugsbereich von Privatpatienten wichtig. Dann können die Praxen über die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), auch Leistungen anbieten, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstattet werden.

Welche Vorteile haben Gemeinschaftspraxen im Vergleich zu Einzelpraxen?
Wer es sich finanziell leisten kann, für den ist im Arztberuf eine Gemeinschaftspraxis wegen einer besseren Work-Life-Balance mit flexiblen und geregelten Arbeitszeiten, weniger Nachtdiensten und einer geringeren psychischen Belastung attraktiv. Die berufliche Kooperation im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ermöglicht außerdem ein breiteres Therapieangebot, eine gesicherte Urlaubs- und Krankheitsvertretung und eine deutlich bessere Auslastung der vorhandenen Ressourcen. Eine Kooperation bedeutet aber auch, Kompromisse einzugehen, sich mit dem Praxispartner abzustimmen und auch zurückstecken zu können. Vor Abschluss eines Gesellschaftsvertrages müssen daher alle wesentlichen Punkte der Kooperation wie Praxisausrichtung, Therapiemodelle, Urlaubserwartungen usw. intensiv besprochen werden. Zudem sind klare Regeln zur Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, zu den Stimmrechten und zur Gewinn- und Verlustverteilung wichtig. 
Außerdem sind in Deutschland aktuell mehr als 190.000 Ärztinnen tätig, die Zukunft des Medizinberufs in Deutschland ist weiblich. Das ergibt sich alleine aus der Geschlechterverteilung im Medizinstudium. Und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in einer Gemeinschaftspraxis natürlich besser zu organisieren.

Finanzinvestoren haben in den vergangenen Jahren Hunderte Arztpraxen in Deutschland aufgekauft. Welche Folgen hat diese Entwicklung für die medizinische Versorgung?
Der deutsche Gesundheitssektor ist offensichtlich attraktiv. Deshalb haben internationale Investmentfirmen Praxen als vielversprechende Renditeobjekte entdeckt und bereits Hunderte, möglicherweise sogar Tausende Arztsitze in Deutschland aufgekauft. Allein im Bereich der Augenheilkunde gehören inzwischen wohl mehr als 500 Praxen internationalen Private-Equity-Gesellschaften. Investoren übernehmen auch Praxen von Zahnärzten, Radiologen, Orthopäden, Gynäkologen, Nierenfachärzten, Internisten und Allgemeinmedizinern. Die Investoren bestreiten zwar, dass sich die Versorgung verschlechtere oder teurer werde. Aber man hört inzwischen immer öfter, dass Arztpraxen im Besitz von Finanzinvestoren systematisch höhere Preise für die Behandlung von Patienten abrechnen und diese einfach stärker an ökonomischen Motiven ausgerichtet sind. Einige Politiker wollen daher bereits seit längerem die Möglichkeiten für Investoren begrenzen, damit sich das Gesundheitssystem nicht nur noch an den Verdienstmöglichkeiten orientiere.


Im ersten Teil des Interviews geht es u.a. um die Fehler, die Ärzte beim Eröffnen einer Praxis häufig machen, und wie sich finanzielle Engpässe vermeiden lassen.


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