"Viele Fachärzte überlegen, eine Privatpraxis zu eröffnen." (Teil 1)

Welche Fehler Ärzte beim Eröffnen einer Praxis häufig machen, wie sich finanzielle Engpässe vermeiden lassen und welchen Unterschied es macht, ob man eine kassenärztliche oder eine Privatpraxis übernimmt, erklärt Gründungsberater Arnd Kensy im Interview.


Arnd Kensy ist Betriebswirt und hat viele Jahre in der Medizintechnikbranche gearbeitet, zuletzt als Geschäftsführer und Vorstand. Heute begleitet er als selbstständiger Berater Ärzte auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Er hat mehrere Bücher zum Thema Praxisgründung und -optimierung verfasst. Das Interview führte Dirk Mewis.

 

Herr Kensy, in den vergangenen Monaten gab es in Deutschland Arztproteste und Praxisschließungen wegen den Sparplänen von Bundesregierung und Krankenkassen. Die Mediziner fordern bessere berufliche Rahmenbedingungen und beklagen die negative Honorarentwicklung, auch im Zusammenhang mit steigenden Energiekosten und der hohen Inflationsrate. Wie ernst ist die Lage?
Das muss man differenziert betrachten. Arzt ist nicht gleich Arzt, selbst wenn man beispielsweise nur die Gruppe der Hausärzte betrachtet. Dort muss man dann zwischen dem Landarzt, der sich vor Patienten nicht retten kann, weil er in einem unterversorgten Gebiet in Deutschland arbeitet, und dem Allgemeinmediziner in der Stadt unterscheiden, der horrende Mieten  und jetzt wahrscheinlich auch noch stark steigende Energie-, Personal- und Materialkosten bezahlen muss. Das führt bei diesen Praxen zu einer schwierigen Situation. Außerdem fällt seit Januar die Neupatientenregelung weg, die Ärzten bei Aufnahme neuer Patienten ein Extra-Honorar beschert hat. Stattdessen sollen die Ärzte jetzt Zuschläge bekommen, wenn beispielsweise ein Hausarzt Patienten zu einem Kardiologen vermittelt. Die als „Ersatz“ für die Neupatientenregelung gedachten höheren Zuschläge für vermittelte Patientinnen und Patienten (HAFA) kompensieren die Honorarverluste durch den Wegfall der Neupatientenvergütung aber nicht, und die geänderte HAFA ist derzeit noch mit viel Aufwand für die Praxen verbunden.

Trotzdem gehören Ärzte statistisch gesehen zu den Spitzenverdienern in Deutschland.  
Ja, Mediziner zählen neben Juristen nach wie vor zu den Spitzenverdienern in Deutschland. Aber verallgemeinern kann man es trotzdem nicht. In Sachsen-Anhalt, Berlin oder Hamburg verdienen Mediziner deutlich weniger als beispielsweise in Bayern oder Baden Württemberg. Und Pathologen haben von Corona profitiert und können den Strompreisanstieg vielleicht besser verkraften. Insgesamt profitieren Ärzte im Grunde aber davon, dass der Staat die Einnahmen von Arztpraxen praktisch garantiert. Zahlungsausfälle gibt es bis auf Honorarstreichungen keine. Jedoch kann man die bei einem vorausschauenden Wirtschaften aber vermeiden. Die wenigsten Arztpraxen haben saisonales Geschäft und letztlich ist das Behandeln von Krankheiten auch krisensicher.Verhältnisse, die sich ein kaufmännisch Selbständiger nur wünschen kann. 

Ein Arzt in Deutschland ist im Durchschnitt rund 40 Jahre alt, wenn er seine Praxis eröffnet. Welche Eigenschaften braucht ein Arzt für die Selbstständigkeit? 
Sie brauchen ein bisschen Mut, ins kalte Wasser zu springen. Denn im Studium bekommt man als Mediziner bisher kein kaufmännisches Wissen beigebracht, das beginnt jetzt erst langsam. Ist das Geld, das in der Kasse ist, ein Gewinn, ein Reinertrag oder eine Einnahme? Sind Abschreibungen liquiditätswirksam oder nicht? Auch als Angestellter, etwa im Krankenhaus, lernt man nicht, wie man sich selbstständig macht. Es fehlt einfach an der notwendigen kaufmännischen Erfahrung.
Aber im Vergleich zu Kaufleuten oder anderen Berufsgruppen, die sich selbstständig machen, gehen Ärzte ein sehr viel geringes Risiko ein, da Ärzte zu 100 Prozent finanziert werden, ohne Eigenkapitalquote, meistens über die KfW oder die Förderbanken des Landes. Gleichzeitig ist die Kreditprüfung, wenn man einen Kassensitz bekommt oder einen abkauft, auch fast eine Formsache. Denn die Banken finanzieren Ärzte mit einem Kassensitz in Deutschland immer noch gerne und stufen sie in der höchsten Bonitätsklasse ein.

Rund jeder fünfte zugelassene Arzt geht in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Welche Fehler passieren bei einer Praxisgründung oder -übernahme am häufigsten?
Viele Praxen straucheln gleich in der Anfangsphase und kommen aus diesem Teufelskreis dann in den ersten Jahren schwer wieder raus. Der größte Fehler ist, dass man das Projekt beginnt und erst danach zur Bank geht. Dann ist es schon passiert, dass die Förderbank den Kredit abgelehnt hat. Ein wichtiger Grundsatz der Förderung ist nämlich, dass nicht schon laufende Projekte finanziert werden, sondern dass die Förderbank das Projekt vor Beginn vorgestellt haben möchte und dann entscheidet, ob sie das Projekt fördert oder nicht.

Was kann man sonst noch falsch machen?
Ein anderer typischer Fehler ist, dass eine Ärztin oder ein Arzt eine Praxis zur Übernahme angeboten bekommt und zu schnell den Kaufvertrag unterschreibt. Einen zinsgünstigen Förderkredit über die KfW-Bank bekommt man dann auch nicht mehr. Also muss der Arzt zu einer privaten Bank gehen und erhält dort meistens einen Kredit mit einem höheren Zins. Bei einer Kreditlaufzeit von zehn Jahren kommen da schnell mehrere tausend oder zehntausende Euro unnötige Kosten zusammen. In den letzten Jahren war es zwar so, dass die Hauskredite der Banken zu den gleichen Konditionen vergeben wurden wie die der KfW. Die Zinsen lagen zwischen 1 und 1,5 Prozent. Diese Phase ist aber jetzt wieder vorbei. Jetzt ist der Förderkredit wieder günstiger als der Kredit der Hausbank. Zudem übernimmt die KfW Bank 80 Prozent des Haftungsrisikos. Und fast keine Privatbank will so hoch haften. Also braucht man ohne KfW-Kredit in der Regel Eigenkapital im fünf- bis sechsstelligen Bereich, das hat aber nicht jeder.

Wie organisiert man einen Praxiskauf oder eine -übernahme richtig?
Man sollte sorgfältig planen und systematisch vorgehen. Der gesamte Planungszeitraum sollte etwa zwölf Monate bis zur Eröffnung betragen. Wer zuerst ein Budgetplan erstellt und mit der Bank verhandelt, kann sich bereits eine weiche Kreditzusage holen. Danach verhandelt man mit dem Praxisinhaber, dem Vermieter und den Handwerkern. Kaufvertrag, Mietvertrag und Kreditvertrag können dann ganz schnell unterschrieben werden. So lässt sich viel Geld sparen. Wer vorschnell unterschreibt, steht auch bei der Übernahme oder Verlängerung des Mietvertrages unter Druck und ist in einer schlechten Verhandlungsposition. Ich habe schon erlebt, dass Vermieter die Drucksituation ausnutzen und die Miete um 20 Prozent erhöhen. Bei langfristigen Mietverträgen, zum Beispiel über zehn Jahre, entstehen dadurch zusätzlich unnötige Ausgaben.
Hinzu kommt: Wer eine Praxis kauft, muss in der Regel in neue Geräte investieren und die Praxis sanieren. Auch hier entstehen also Kosten, die man genau im Blick haben und durchkalkulieren muss. Das erwartet auch jede Bank, die einen Kredit bewilligen soll. Außerdem ist die Zeit, in der Ärzte einfach nur das Arztschild aufhängen mussten, und die Patienten rannten einem danach die Bude ein, schon lange vorbei.
 

Im zweiten Teil des Interviews erfahren Sie u.a. wie sich eine Praxisgründung verlässlich kalkulieren lässt, welchen Unterschied es macht, ob man eine kassenärztliche oder privatärztliche Praxis eröffnet, und wo die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis im Vergleich zu Einzelpraxen liegen.


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