Arzt und Umsatzsteuer: Wann gilt die Steuerpflicht?

Für welche Leistungen muss ein Arzt Umsatzsteuer abführen und wann ist er davon befreit? Steuerberater Michael Möller von der Steuerberatungsgesellschaft Thierfeld und Berg gibt einen Überblick.

Ratgeber Finanzen


Dieser Beitrag stammt von Diplom-Finanzwirt und Steuerberater Michael Möller von der Thierfeld und Berg Partner Steuerberatungsgesellschaft mbB. Seit über zehn Jahren liegen seine Schwerpunkte in der steuerlichen und wirtschaftlichen Beratung von Angehörigen der Heilberufe.


Viele Inhaber von Arztpraxen gehen davon aus, dass ihre Leistungen keine Umsatzsteuer auslösen. Einige von ihnen erleben dann im Nachhinein eine böse Überraschung und müssen teilweise hohe Umsatzsteuernachzahlungen an das Finanzamt abführen. Deshalb empfiehlt es sich, die Leistungen der Praxis in Kooperation mit dem Steuerberater vorab auf den Prüfstand zu stellen. Die nachfolgenden Ausführungen können hierbei als Unterstützung dienen. Bitte bedenken Sie, dass es sich um eine Zusammenfassung handelt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Im Zweifel ist der Steuerberater zu befragen.
 

1) Bei welchen Leistungen  ist der Arzt von der Umsatzsteuer befreit? 

Das Umsatzsteuergesetz nennt zwei wesentliche Voraussetzungen für die Annahme einer steuerfreien Leistung:

a. Erbringung durch einen Arzt oder einen Angehörigen eines arztähnlichen Berufes (Qualifikation des Leistungserbringers)

b. Inhalt der Leistung ist das Diagnostizieren und das patientenbezogene Behandeln von Krankheiten und anderen Gesundheitsstörungen (Therapeutisches Ziel). Dabei können auch präventive Leistungen steuerfrei sein, wenn sie gegenüber dem jeweils Betroffenen erbracht werden 


2) Welche Leistungen lösen Umsatzsteuer für den Arzt aus?

a. Nichtärztliche Leistungen

Der stetige Wandel des Berufsstands bringt es mit sich, dass in den Praxen auch vermehrt nichtärztliche Leistungen erbracht werden. In diesem Fall ist der Arzt verpflichtet, Umsatzsteuer abzuführen. Einige Beispiele:

  • Die Überlassung von Geräten oder Personal an Kollegen gegen Entgelt bzw. Kostenbeteiligung ohne die Zwischenschaltung einer Praxisgemeinschaft
  • Der Verkauf von Kontaktlinsen, Pflegeprodukten oder von Nahrungsergänzungsmitteln
  • Medizinisches Gerätetraining
  • Honorare für Vortrags- und Lehrtätigkeit
  • Honorare als Schriftsteller für Fachartikel oder Fachbücher
  • Leistungen außerhalb der Praxis (z.B. die kurzfristige Vermietung von Ferienwohnungen)
     

b. Ärztliche Leistungen

Es gibt auch einige ärztliche Leistungen, die Umsatzsteuer zur Folge haben. Insbesondere dann, wenn sie nicht medizinisch indiziert sind oder nicht direkt im Rahmen einer Behandlung gegenüber einem Patienten erbracht werden. Eine Abgrenzung ist dabei oft im Einzelfall erforderlich.

Laut Finanzverwaltung ist ein wesentliches Indiz für die Umsatzsteuerbefreiung die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung. Im Bereich der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) sind, auch bei fehlender Kostenerstattung, solche Leistungen für den Arzt umsatzsteuerfrei, bei denen ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. 

Wichtig: Der Nachweis des therapeutischen Ziels muss vom Arzt erbracht werden (z.B. durch entsprechende Dokumentation der Patientenakte).


Folgende ärztliche Leistungen sind in der Regel umsatzsteuerpflichtig:

  • Kosmetisch oder ästhetisch indizierte Leistungen. 
    Vorteile für das allgemeine Wohlbefinden fehlt der medizinische/therapeutische Zweck. Für die Annahme einer psychologischen Notwendigkeit genügt nicht die Einschätzung des Behandlers, vielmehr ist ein psychologisches Gutachten eines Dritten erforderlich.
  • Sporttauglichkeitsuntersuchungen
  • Allgemeine Ernährungsberatungen ohne Vorliegen einer therapeutischen Behandlung
  • Vorsorgeleistungen ohne kurativen Ansatz (Fitness-Check, Ernährungsstatus usw.)
  • Berichte in einer ärztlichen Fachzeitschrift sowie schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit
  • Lieferung von Hilfsmitteln und Verkauf von Medikamenten aus einer ärztlichen Abgabestelle für Arzneien
  • Meldungen eines Arztes zur reinen Dokumentation von Patientendaten, wenn diese Meldungen keine Auswirkungen auf die Heilbehandlung eines bestimmten Patienten haben
  • entgeltliche Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten
  • Gutachten und vergleichbare Untersuchungen wie Blutgruppenuntersuchungen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung, anthropologisch-erbbiologische Gutachten, psychologische Tauglichkeitstests, die sich ausschließlich auf die Berufsfindung erstrecken
  • Alkohol-Gutachten und Gutachten, die im Rahmen von Strafverfahren erstattet werden
  • Gutachten über den Gesundheitszustand
    o    als Grundlage für Versicherungsabschlüsse
    o    in Unterbringungssachen (gem. § 321 Abs. 1 FamFG)
  • Gutachten über die Berufstauglichkeit oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit in
    o    Sozialversicherungsangelegenheiten
    o    Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung
    o    Schadensersatzprozessen
  • Zeugnisse oder Gutachten über das Sehvermögen
  • gutachterliche Feststellungen zum voraussichtlichen Erfolg von Rehabilitationsleistungen im Rahmen eines Rentenverfahrens (da hier ein Rentenantrag Anlass ist, um als Arzt tätig zu werden)
  • Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen (z. B. bei Fragen der Schadensersatzleistung) – auch bei öffentlich-rechtlicher Berichtspflicht
  • Musterungs-, Tauglichkeits- und Verwendungsfähigkeitsuntersuchungen und -gutachten, da diese dem Anlass der Beurteilung für den (künftigen) Dienstherrn dienen, ob der Bewerber für eine bestimmte Verwendung geeignet ist
  • Röntgenaufnahmen, die für ein Gutachten des TÜV zur Berufstauglichkeit erstellt werden
  • Untersuchung und Begutachtung durch Vertragsärzte zur Feststellung von Beschädigungen, wenn diese Leistungen nicht der (weiteren) medizinischen Betreuung dienen sollen, sondern z. B. als Grundlage für eine Entschädigungsleistung
  • Obduktionen – es sei denn, die Obduktion ist im Fall des Seuchenverdachts für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung
  • sport- und reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen
  • externe Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)
  • Gutachten zur Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit oder zur Feststellung, welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt

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3) Besonderheit: Der umsatzsteuerliche Kleinunternehmer

Mit § 19 Umsatzsteuergesetz hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass bei einem geringfügigen Umfang umsatzsteuerpflichtiger Leistungen keine Umsatzsteuer zu ermitteln und an das Finanzamt abzuführen ist.

Soweit die jährlichen Gesamteinnahmen aus umsatzsteuerpflichtigen Leistungen den Betrag von 22.000,- € im laufenden Jahr und 50.000,- € im folgenden Jahr voraussichtlich nicht überschreiten werden, fällt keine Umsatzsteuer an.

Auf die Anwendung kann der Steuerpflichtige verzichten (z.B., weil er hierfür umfangreiche Geräteanschaffungen getätigt hat und sich die Umsatzsteuer aus den Kaufpreisen vom Finanzamt erstatten lassen möchte).
 

4) Umsatzsteuerfalle: Reverse-Charge-Verfahren

Bei bestimmten Lieferungen oder Leistungen schuldet nicht der Ausführende, sondern der Empfänger der Lieferung oder Leistung die Umsatzsteuer. 

Dieses gilt zum Beispiel beim Einkauf von Praxisbedarf bei ausländischen Unternehmen oder bei Marketingleistungen ausländische Anbieter (z.B. Google).

In den Rechnungen erfolgt daher kein Ausweis von Umsatzsteuer mit dem Hinweis Reverse-Charge. Hier muss der Arzt in Deutschland die Umsatzsteuer ermitteln, in der Steuererklärung erfassen und an das Finanzamt abführen. Dadurch erhöhen sich die Kosten für den Arzt.
 

5) Fazit zum Thema Arztpraxis und Umsatzsteuer

Der Grundsatz „Arzt = Keine Umsatzsteuer“ kennt viele Ausnahmen. Vielfach kann erst im Einzelfall geklärt werden, ob Umsatzsteuer entsteht oder nicht. Diese Klärung sollte vor Ausführung der Leistungen erfolgen. Fällt später Umsatzsteuer für den Arzt an, muss diese bereits bei der Preisvereinbarung mit dem Auftraggeber einkalkuliert werden.

Häufig fehlt es dabei einfach an der Kommunikation zwischen Steuerberater und Arzt. Informieren Sie Ihren Steuerberater rechtzeitig und stimmen Sie ihr Leistungsspektrum mit ihm ab. Durch entsprechende Gestaltung können hier ggfs. die Umsatzsteuer vermieden oder negative Folgen gemindert werden. Es ist dabei durchaus von Vorteil, wenn Ihr Berater die Gesundheitsbranche gut kennt.  

 

\\\ Verfasser: Michael Möller (Steuerberatungsgesellschaft Thierfeld und Berg) für AÄA


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