Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: Was müssen Arztpraxen beachten?

Wie stellt ein niedergelassener Arzt sicher, dass die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß den rechtlichen Vorgaben erfasst werden?

In einer Arztpraxis liegt neben einer Uhr mit großem Ziffernblatt ein Stethoskop

 

Bereits vor einigen Jahren hat der Europäische Gerichtshof ein wegweisendes Urteil zur Arbeitszeiterfassung getroffen. Nachdem der deutsche Gesetzgeber es versäumt hatte, hier eine Regelung zu treffen, hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2022 die europäischen Regelungen auch für deutsche Unternehmen für verbindlich erklärt. Aber auch in der Folge hat der deutsche Gesetzgeber nicht reagiert. Es ist kaum verwunderlich, dass deshalb bis heute viele Praxen unsicher sind, welche Auswirkung diese Entscheidung hat. Rechtsanwalt & Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Dr. Thomas Ruppel aus Lübeck klärt auf:
 

Was folgt aus den Urteilen zur Arbeitszeiterfassung?

Aus den ergangenen Urteilen lässt sich ableiten, dass die Arbeitszeiterfassung in einem objektiven, verlässlichen und zugänglichen System zu erfolgen habe. Die geleistete tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers ist zu erfassen. Wichtig: Nicht nur die Dauer der täglichen Arbeitszeit, sondern auch ihr Beginn und ihr Ende müssen festgestellt werden können.

Ein Arbeitszeiterfassungssystem zur Verfügung zu stellen, reicht dabei nicht aus –  es besteht auch eine aktive Nutzungspflicht.
 

Wie kann eine Arztpraxis die Vorgaben umsetzen?

Es gibt keine Vorgaben, ob die Zeiterfassung elektronisch oder in papiergebundener Form erfolgen muss. Elektronische Systeme sind empfehlenswert, weil sie sich besser auswerten lassen. Denn Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes war es nicht, zu kontrollieren, ob Mitarbeiter zu wenig arbeiten. Vielmehr dient die Arbeitszeiterfassung dem Arbeitsschutz, insbesondere der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Um dies bei all seinen Arbeitnehmern sicherzustellen, ist eine papiergebundene Erfassung für den Arbeitgeber sicherlich wenig hilfreich.

Excel-Tabellen und Word-Dokumente sind unzulässig, wenn die Manipulationssicherheit nicht gewährleistet werden kann. Denn auch nachträgliche Veränderungen, etwa weil Mitarbeiter vergessen haben sich ein- oder auszuloggen, müssen nachvollziehbar sein.

Werden neben der reinen Arbeitszeit auch mögliche Minusstunden oder Überstunden erfasst, gilt es zudem Urlaubstage (ggf. aus dem Vorjahr), Fortbildungen usw. einzubeziehen – dadurch steigen auch die Anforderungen an die einzusetzende Technik.


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Stundensalden sind keine Arbeitszeitkonten 

Viele Praxisinhaber verwechseln dabei die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und die daraus resultierenden Über- und Unterstunden mit Arbeitszeitkonten. Mit Arbeitszeitkonten können Plus- und Minusstunden aufgebaut und durch Nacharbeit und Zeitausgleich ausgeglichen werden. Sie müssen im Arbeitsvertrag gesondert vereinbart werden und kommen als Jahresarbeitszeitkonten oder als Lebensarbeitszeitkonten in Betracht. Wenn es kein Arbeitszeitkonto gibt, sind Arbeitnehmer grundsätzlich weder zum Ableisten von Überstunden noch zum Nacharbeiten von Minusstunden verpflichtet, wenn der Praxisinhaber sie einmal früher nach Hause geschickt hat.

Ausnahmen: Nicht zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind die Praxisinhaber, egal ob es sich um eine Einzelpraxis, eine Gemeinschaftspraxis oder eine MVZ-GmbH handelt, sofern diese genügend Anteile und Einfluss haben, um als Unternehmer zu gelten.
 

Welche Folgen drohen bei Verstößen gegen die Pflicht zur Arbeitzeiterfassung? 

Bußgelder sind bei Verstößen gegen die Pflichten zur Arbeitszeiterfassung eher unwahrscheinlich. Denn Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz gem. § 25 ArbSchG sind nicht mittelbar bußgeldbewehrt, sondern es bedarf zunächst einer vollziehbaren Anordnung der zuständigen Behörde, gegen die dann verstoßen werden müsste. Relevant werden dürfte ein möglicher Verstoß des Arbeitgebers aber gerade in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern, etwa um die Auszahlung von vermeintlichen Überstunden.
 



\\\ Autor: Dr. Dr. Thomas Ruppel, Rechtsanwaltsgesellschaft Dr. Ruppel mbH (Lübeck) für AÄA

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